Ostern 2020

Liebe Mitchristen,

es ist eine bis vor kurzem unvorstellbar gewesene Zeit und Situation, die uns das Leben gerade abverlangt. Wie geht es Ihnen da persönlich?

Aus unzähligen Telefongesprächen erfahre ich, wie unterschiedlich wir Menschen jetzt reagieren. Manche verfallen vor Angst in eine Art Starre, andere wollen unbedingt aktiv etwas unternehmen. Während die einen vernünftig und vorsichtig jeden nur möglichen Kontakt meiden, nehmen andere die Situation vielleicht gar nicht ernst und setzen sich und ihre Mitmenschen unnötigen Risiken aus.

Über unserem Leben liegt irgendwie eine Spannung, der wir nicht auskommen. Während der Frühling begonnen hat und die Natur anfängt, in ihrer ganzen Pracht grün und bunt aufzuleben, schwebt über unserem Leben die Furcht vor Krankheit und Tod. Wir spüren die Freude am Leben und gleichzeitig wird uns bewusst, wie wenig wir es in der Hand haben. Wir stellen fest, was wirklich wichtig ist, auf wen man zählen kann und auf wen nicht.

Während wir gewohnt sind, Jahr für Jahr, die Fastenzeit planen, uns ohne Sorgen ein „Fastenopfer“ auszusuchen, wird uns diesmal ein Fasten von außen auferlegt. Unseren Gewohnheiten und Hobbys können wir nicht nachgehen, uns liebe Menschen dürfen wir nicht einfach treffen.

Auch den Jüngern Jesu wurde vor gut 2000 Jahren von außen ein Fasten auferlegt, das sie sich nicht aussuchen konnten, ein Fasten, bei dem es um alles und nichts ging, um Leben und Tod. Dieser Jesus, mit dem sie unterwegs waren und auf den sie ihr ganzes Leben gesetzt hatten, für den sie alles zurückgelassen hatten, dieser Jesus wird ihnen genommen. Er, in dem sie den von Gott Gesandten, den verheißenen Messias erkannt hatten, wird am Kreuz brutal ermordet. In den Augen der Juden der damaligen Zeit ein klares Zeichen dafür, dass er ein von Gott Verlassener ist.

Als sich die Situation um Jesus konfliktbeladen zuspitzt und die Jünger sein Ende kommen sehen, sind sie wahrlich keine Helden. Sie laufen davon oder verraten ihn sogar. All das, worauf sie gebaut haben, was ihnen im Leben Halt gegeben hat, wird am Karfreitag am Kreuz zerstört. Sie müssen erleben, wie es ist, ohne die Gemeinschaft mit Jesus, ohne seine wirkmächtige Botschaft zu sein. Ein bitteres Fasten.

Wir wissen heute, dass Ostern kommen wird. Die Jünger damals wussten es nicht.

Was haben die Jünger getan? Einige sind nach Hause zurückgekehrt. Andere sind in Jerusalem geblieben und haben gewartet. Sie hatten wohl eine Ahnung, dass das nicht Gottes letztes Worte gewesen sein kann. Sie blieben in den Häusern und haben gebetet. Sie haben sich in ihrer Not an den gewandt, von dem sie wussten, dass er ein Freund des Lebens ist.

Auch wir sind zurück geworfen auf uns selbst, auf unsere Fragen, wie es weiter gehen wird. Es ist ein Fasten, das uns zeigt, dass wir nicht einfach immer so weiter machen können, nach dem Motto: immer weiter, immer mehr, immer größer. Es ist ein Fasten, das uns aufzwingt, das eigene Leben zu überdenken und zu fragen, was uns wirklich wichtig ist, ohne in die Ablenkung von Veranstaltungen und Unternehmungen fliehen zu können.

Jeder von uns ist mehr auf sich selbst verwiesen, zu reflektieren, worauf und auf wen wir bauen. Sind wir bereit, in unser Herz zu schauen und wirklich unsere innersten Sehnsüchte wahrzunehmen? Oder andersherum betrachtet: Wem öffnen wir unser Herz? Schon der Prophet Joel sagt: “Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider” (Joel 2,13). Denn letztlich kann Gott nur zu einem offenen Herzen sprechen und ihm sein Erbarmen und seine Gnade schenken.

Die biblische Botschaft sei uns Ansporn und Einladung zugleich. Bleiben wir in unserem Pfarrverband verbunden im Geist Jesu, im Geist des Gottesdienstes und Gebetes. Täglich feiern wir sowohl in Ismaning als auch in Unterföhring um 9 Uhr die heilige Messe unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Während wir bei der Wandlung sind, läuten unsere Kirchenglocken (täglich ca. 9.15 Uhr). In getragener Ruhe verkünden sie, dass wir im Gottesdienst verbunden und Sie alle mit eingeschlossen sind. Gerne können Sie dazu wie gewohnt Ihre Gebetsanliegen in den Pfarrbüros melden.

Die Jünger damals werden miteinander im Gespräch gewesen sein, sie werden versucht haben, das Gewesene zu deuten. Auch darum bitte ich Sie heute herzlich: Bleiben Sie im Gespräch und Austausch. Wenn Sie bemerken, dass in Ihrer Umgebung Menschen Hilfe brauchen oder einfach jemanden zum Reden am Telefon, seien Sie dazu bereit. Auch wir Seelsorger bleiben sehr gern mit Ihnen im Kontakt.

Schließlich haben die Jünger an Ostern das Unvorstellbare erlebt: Völlig unerwartet, mitten in tiefster Hoffnungslosigkeit bricht das Leben hervor, das allein Gott geben kann. Seine Liebe erweist sich stärker als alles Dunkel, als alle Angst, ja selbst als der Tod. Die Jünger erfahren: Selbst als sie dachten, Gott sei unendlich fern, war er näher, als sie es je für möglich gehalten hätten.

Liebe Mitchristen, das wünsche ich uns in dieser spannungsgeladenen Zeit: Dass auch wir erleben dürfen, dass Gott uns nahe ist, auch wenn die äußeren Umstände ihn so weit weg erscheinen lassen. Gehen wir in Vernunft und Verantwortung für das eigene Leben wie auch das unserer Mitmenschen in gläubigem Vertrauen dem Ostergeheimnis entgegen, der Tür zum Leben, die niemand mehr schließen kann (Offb 3,8).

Für das ganze Seelsorgeteam in herzlicher Verbundenheit

Ihr Pfarrer Markus Brunner

Diesen Brief als pdf finden Sie hier: Brief an die Gemeinde